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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 29.04.2002
Aktenzeichen: 3 Ss 99/2002
Rechtsgebiete: AsylVfG
Vorschriften:
AsylVfG § 85 Nr. 2 | |
AsylVfG § 58 Abs. 4 | |
AsylVfG § 56 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Strafsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 3 Ss 99/2002
in der Strafsache
wegen wiederholter Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat am 29. April 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts vom 07. Juni 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht sprach den Angeklagten am 07. Juni 2001 - unter Freispruch im übrigen - dreier Vergehen der wiederholten Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz schuldig und legte ihm 20 Stunden gemeinnützige Arbeit auf.
Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:
"Gerichtsbekanntes Wissen darüber, dass "zahlreiche schwarze Personen sowohl zu Lebensalter wie Staatsangehörigkeit beim Stellen des Asylantrages bewusst falsche Angaben machen" (UA Seite 4), entbindet das Gericht nicht von seiner Verpflichtung, im konkreten Einzelfall Feststellungen zu treffen, ob auch der Angeklagte falsche Angaben zu seiner Herkunft machte oder tatsächlich aus Sierra Leone stammt.
Solche Feststellungen lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Sie stellt lediglich fest stellt, der Angeklagte "will aus Sierra Leone stammen" (UA Seite 3 und Seite 5). Soweit die Ausführungen auf Seite 4 des Urteils dahingehend zu verstehen sind, dass die Nationalität des Angeklagten ungeklärt blieb, gleichwohl aber kein Abschiebehindernis bestehe, da es möglich sei, dass er aus einem Land stamme, in welches er ohne Weiteres abgeschoben werden könne (UA Seite 4), lässt das angefochtene Urteil befürchten, dass das Gericht sowohl die Bedeutung des Zweifelsgrundsatzes wie die Reichweite des Abschiebehindernisses nach § 58 Abs. 4 Satz 1 Variante 3 AsylVerfG i.V.m. § 51 AuslG verkennt.
Der - dem sachlichen Strafrecht zugehörige (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage § 261 Rdnr. 26) - Zweifelsgrundsatz gebietet die Annahme des dem Angeklagten günstigsten Sachverhaltes (BGH NStZ 2000, 498); vorliegend muss deshalb bis zum Beweis des Gegenteils angenommen werden, dass der Angeklagte Staatsbürger Sierra Leones ist. Da bei sierra-leonischen Staatsbürgern zur Tatzeit ein rechtliches oder tatsächliches Abschiebehindernis nicht ausgeschlossen war, hatte das Amtsgericht bspw. durch Vernehmung des Sachbearbeiters beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder eines Mitarbeiters der für die Organisation der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde oder ggf. durch Einholung eines behördlichen Zeugnisses gemäß § 256 StPO klären müssen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Abschiebehindernisses nach § 58 Abs. 4 Satz 1 Variante 3 AsylVerfG i.V.m. § 51 AuslG vorlagen (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 05. März 2002 -5 Ss 624/2001-).
Sowohl auf der Verkennung der Bedeutung des Zweifelsgrundsatzes wie der Reichweite des Abschiebehindernisses nach § 58 Abs. 4 Satz 1 Variante 3 AsylVerfG i.V.m. § 51 AuslG kann das angefochtene Urteil beruhen."
Dem schließt sich der Senat an. Der Mangel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
Ende der Entscheidung
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